zwei Avocados telefonieren und schauen sich an, sie sind verbunden- mit der Telefonschnur und im übertragenen Sinne

Zufriedene Beziehungen durch verbindende Kommunikation

In meiner Ausbildung zur Familientherapeutin kam ich das erste Mal mit dem Begriff “persönliche Sprache“ in Berührung. Die Persönliche Sprache fördert und stärkt Beziehungen im privaten und beruflichen Kontext. Sie fördert den Austausch, ist konstruktiv und gibt durch ihre Klarheit Sicherheit in der Beziehung. Sie kommt ohne Schuldzuweisung aus und wirkt im Streit deeskalierend.

Sie ist ein guter Weg, zu einer einvernehmlichen Konfliktlösung zu kommen, weil sie auf Augenhöhe stattfindet und für den Dialog öffnet.

Die Bedeutung einer persönlichen Sprache

Die meisten Menschen kommen in die Paarberatung/ Paartherapie mit dem Wunsch, ihre Kommunikation zu verbessern. Sie merken, dass sie sich zwar Mühe geben, aber irgendetwas nicht funktioniert. 

Besonders in Konflikten ist es wichtig, nicht inhaltlich zu argumentieren, sondern in einer persönlichen Sprache zu sprechen. Solange man in Konflikten auf der Inhaltsebene bleibt, möchte jeder einfach nur Recht behalten und das geht meistens zu Lasten der Beziehung.

Nur die Persönliche Sprache kann zu mehr Verständnis und Kooperation führen.

„Persönlich“ bedeutet in diesem Falle: Ich reagiere in der Beziehung zum Gegenüber im Hier und Jetzt. Es umfasst die Erlebnisse, Gedanken und Gefühle, die man in allen Beziehungen hat.

Der Unterschied zwischen persönlicher und sozialer Sprache

Das, was wir jedoch meist gelernt haben und ausüben ist die soziale Sprache. Jesper Juul bezeichnet sie als Sprache, die geeignet dafür ist, Distanz zu wahren und sich nicht verletzlich zu machen, z.B. durch Smalltalk, Phrasen oder Verallgemeinerungen. Sie funktioniert jedoch nicht in Beziehungen. Um in Beziehung zu gehen brauchen wir eine persönliche Sprache, denn nur diese zeigt unser Wesen und hilft uns, uns abzugrenzen. 


„Die Sprache der Liebe ist weder positiv noch negativ,  sie ist persönlich“

 

Jesper Juul

Überschneidung zur Gewaltfreien Kommunikation

Die gewaltfreie Kommunikation von Marshall Rosenberg ist sehr ähnlich mit dem, was Jesper Juul als „Persönliche Sprache“ bezeichnet. Ich kann und möchte nicht weiter darauf eingehen, da ich die GfK zwar sehr schätze, aber nicht genug darüber weiß.

Eins ist jedoch gesagt:

Die Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg ist immer persönlich.

Die persönliche Sprache von Jesper Juul ist immer gewaltfrei.

So – nun darfst du dir aussuchen, was dir besser liegt 😉.

Die Kraft des „ICH“ in der Kommunikation

Egal, ob im Alltag, im Beruf, in der Familie oder unter Freunden: die Verwendung des Wortes „ICH“ ermöglicht mehr Klarheit im Miteinander.

Das allerwichtigste Wort einer persönlichen Sprache ist das Wort ICH. 
 Nein, das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern damit, dass nur ICH für mich persönlich sprechen kann 🙂

Ein Mensch ohne Grenzen ist wie ein Obstgarten ohne Zaun, an dem sich jeder frei bedienen kann.


Anke Stadelbauer

Mit dem ICH teilst du mit, wo deine Grenzen sind. Du bestimmst, wo dein Zaun langgeht und ob die Tür offen ist oder nicht. Lies gern mehr darüber in meinem Artikel „Mein persönlicher Raum – meine Grenzen“.

Besonders wertvoll sind diese Aussagen:



„Ich möchte / ich mag…“ bzw. „Ich möchte nicht / ich mag nicht…“

z.B.: „Ich möchte heute allein sein.“, „Ich möchte morgen einen Ausflug machen.“, „Ich mag es nicht zu warten.“ usw. 

Sie sind auch besonders schwer, da wir es meist nicht gelernt haben, so direkt zu sein! Ich erinnere mich an einen Spruch aus der Kita meines Sohnes (2011! also nicht aus dem letzten Jahrhundert!) –> „Herr und Frau Will sind nicht zu hause“.

Inzwischen ist er 16 und manchmal denken wir noch daran, schütteln lachend den Kopf und drehen den Satz um „Herr und Frau Will sind zu hause!“. Aber klar: wenn man als Kind auch von seinen Eltern so verwirrt und beschämt wird, dann verlernt man zu sagen, was man möchte.
Es ist doppelt schlimm, weil ein Kind merkt, dass es etwas falsches gemacht hat, es aber nicht einordnen kann. Ironie wird erst ab dem 13. Lebensjahr verstanden.

Vermeidung von Verallgemeinerungen: „ICH“ statt „man“

Warum das persönliche „ICH“ gegenüber dem allgemeinen „man“ wichtig ist.

„Man“ ist die Masse, ein Jedermann, eine Identifizierung als Individuum ist nicht möglich. Die angesprochene Person kann Dein persönliches Wesen nicht erkennen.

Aus „Man kann ja mal gemeinsam kochen“ wird dann
 —> „ich möchte gern (mit dir) kochen“.

Damit machst Du Dich als Sprecher mit Deinen Wünschen sichtbar und gibst Deinem Gegenüber die Chance, Dich zu hören und Dir einen Gefallen zu tun.

Grenzen setzen mit „ICH“ statt „wir“

Die Bedeutung von persönlicher Verantwortung und Abgrenzung in der Sprache.

ICH statt „wir“ – Abgrenzung in der Sprache: 



Das häufig benutzte „WIR “ ist grenzenlos! Jeder kann nur von sich sprechen.

„Was wollen wir heute machen?“ (Wer übernimmt hier die Verantwortung?)

Besser -> „Ich habe …. geplant. Was hältst du davon?“

„Ich“ statt „Du“- Für eine verbindende Kommunikation


Sicher weißt du es schon: Du-Botschaften verhindern Beziehung. Du-Botschaften trennen. Du-Botschaften rufen Widerstand hervor.

Alles ganz einfach? Nee! 

Viele Menschen sagen dann einfach „Ich finde, du bist rücksichtslos“.
Dies ist aber keine Ich-Botschaft, sondern eine versteckte Du-Botschaft.
Eigentlich steht dahinter (und wird vom Gegenüber zu 99% so gehört): „Du bist rücksichtslos“ oder „Ich finde dich rücksichtslos“


Die Ich-Botschaft wandelt das „rücksichtslos“ in ein Bedürfnis um (das deckt sich mit der GfK). In diesem Falle das Bedürfnis nach Rücksicht.

Probier es so:
—> „Ich brauche Rücksicht – kannst / willst du mir das geben?“

Sei konkret!

Verallgemeinerungen lösen Widerstand und Rechtfertigungen aus: ein Machtkampf beginnt.
Benenne darum statt „immer“ und „nie“ lieber eine konkrete Situation. 


Beispiel

Statt: „immer muss ich die Wäsche aufhängen“

-> „Als du gestern abend die Wäsche nicht aufgehängt hast, hab ich mich geärgert.“

Jesper Juul’s Perspektive auf individuelle Kommunikation

Eine Betrachtung von Jesper Juul’s Standpunkt zur individuellen Kommunikation in Beziehungen.


Jesper Juul: „Wenn jeder für sich spricht, gibt es keine Verlierer.“ 


Zwei Schritte zur wirksamen Äußerung von Bedürfnissen und Wünschen

Selbstwahrnehmung schärfen

Mich selbst wahrnehmen: Wie geht es mir gerade? Was brauche ich für mich? Was brauche ich evtl. von meinem Gegenüber? Wie geht es mir, wenn ich nicht bekomme, was ich brauche?

Es geht also darum, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen und zu kommunizieren. Bedürfnisse können nur erfüllt werden, wenn ich davon spreche und mein Gegenüber sie nicht erahnen muss.

Ich allein habe die Verantwortung für meine Gefühle, d.h., dass sie mir entspringen, aufgrund meines Lebens, meiner Einstellung, meiner Erfahrungen. Das Verhalten des Anderen löst zwar Gefühle bei mir aus, ist aber nicht die Ursache dafür. (Bsp: der Vater wird wütend, weil der Sohn zu spät nach hause kommt, die Mutter stört es nicht)

Wenn ich die Ursache meines Gefühls erkenne, dann hab ich das Gefühl „in der Hand“. Gelingt es mir nicht, bin ich abhängig vom Verhalten meines Gegenübers und das Gefühl hat mich in der Hand.

Und wo liegt jetzt der Unterschied? Lies das folgende Beispiel und spüre beiden Antworten nach.

Wie fühlt es sich an, wenn Du A oder B liest? Gibt es eine Körperreaktion?

Beispiel: Du ärgerst Dich, weil Dein Partner / Kollege zu spät kommt und willst mitteilen, was Du brauchst.

A. „Ich brauche, dass du pünktlich bist.“

……………………………..spür nach, was der Satz macht mit dir…..


B. „Ich brauche Orientierung/Verlässlichkeit.“

…………………………………………………spürst Du den Unterschied? 

Unter A bist Du abhängig davon, dass Dein(e) Partner(in) Deinen Wunsch erfüllt, er/sie bekommt die Verantwortung dafür, dass Du Dich ärgerst. Er impliziert die Botschaft „du musst pünktlich sein, damit es mir gut geht“. Damit gibst du dem Anderen Macht über dich und deine Gefühle.

Unter B machst Du Deine Bedürfnisse sichtbar und übernimmst Verantwortung für Dich.

Nun hast Du mitgeteilt, wie es Dir geht, nun wäre es hilfreich, wenn Dein Gegenüber erfährt, was Du von ihm willst!

Wünsche und Bedürfnisse kommunizieren

Deine Bitte äußern: Schließlich weiß der Andere nicht, was du willst (wer kann schon hellsehen? 🙂

Am besten machst du das so, dass auch ein Nein als Antwort möglich ist. Denn sonst wäre es ja ein Befehl, klingt doch logisch, nicht wahr? Was? Du meinst, es ist doch wirklich wirklich wichtig für dich, dass dein Gegenüber JA sagt, sonst ….? 

Glaub mir, damit bist du nicht allein und ich habe auch Jahre gebraucht, um den Unterschied zu verstehen und vor allem, es immer öfter umzusetzen. 

Machen wir mal einen Perspektivwechsel.

Lies die beiden folgenden Sätze so, als ob jemand sie zu Dir sagen würde und spüre den beiden folgenden Sätzen nach. Der kursive Teil in Klammern ist der Teil, der zwar nicht ausgesprochen, aber trotzdem transportiert und vom Gegenüber gespürt wird.

  • „Ich möchte (und erwarte),dass du pünktlich bist oder eine Stunde vorher Bescheid sagst, wenn du später kommst.“
  • „Ich möchte, dass du pünktlich bist oder eine Stunde vorher Bescheid sagst, wenn du später kommst. Wie ist das für dich?“ 
 (= ich interessiere mich für dich)

    Was waren Deine spontanen Empfindungen auf diese Sätze?

    Wenn ich A nachspüre, merke ich sofort, wie ich mich leicht anspanne und wie Widerstand aufsteigt.
    Bei B spüre ich Entspannung und Offenheit. Ich werde ebenfalls offen, der Person den Gefallen zu tun.

Du merkst also, dass eine Einstellung durchaus beim Gegenüber ankommt, ohne ausgesprochen zu werden. Das kannst Du aber verhindern, indem Du Deine Einstellung dazu änderst! Für eine Beziehung ist es also nicht wichtig, besonders nett und zuvorkommend zu sein.

Es ist viel wichtiger, dass ich meine Gefühle und Wünsche wahrnehme, kommuniziere und mein Gegenüber als fühlendes Subjekt sehe, das ebenfalls Wünschen und Bedürfnissen hat.

Die „Vollständige Botschaft“:
 


In der vollständigen Botschaft nach Walter Kempler braucht es einen Passiven und einen aktiven Teil. Der passive Teil sagt aus, was ich fühle und wie es mir geht. Der aktive Teil zeigt mein Bedürfordert zur Handlung auf.

Äußere ich nur mein Bedürfnis oder mein Gefühl, dann weiß der Andere nicht, was er tun soll, fühlt sich aber verantwortlich, was höchstwahrscheinlich Unwohlsein und Widerstand erzeugt. (z.B.: „Ich bin gestresst“.) 

Äußere ich hingegen nur meine Wünsche, ohne etwas von meinen Gefühlen mitzuteilen, kommen diese ggf. als Befehl an und erzeugen ebenfalls Widerstand. (z.B. „Ich möchte, dass du leise bist.“)

Walter Kempler nennt dies „zwei Teile eine Botschaft“. Beziehung gelingt, wenn ich beide Teile zusammenbringe, denn dann erst ist die Botschaft komplett. 


Beispiele für passive und aktive Botschaft

Passiver Teil „So geht es mir.“ + Aktiver Teil „Das möchte ich (nicht).“ „Mir ist wichtig, dass es hier ordentlich ist und ich möchte, dass du deine Sachen vom Tisch räumst.“


„Ich brauche Orientierung und möchte wissen, wenn du raus gehst.“

„Ich werde unruhig, wenn ich auf dich warte, und möchte gern, dass du mir Bescheid sagst, wenn du später kommst.“

„Ich brauche deine Unterstützung und wünsche mir, dass du die Kinder aus der Kita holst.“

Fazit

Am Anfang hört sich die persönliche Sprache etwas komisch an. Es ist so ungewohnt!
Vor allem die vollständige Botschaft ist gar nicht leicht!

Ich gehöre zum Beispiel zu den Menschen, denen der aktive Teil viel schwerer fällt als der passive. Ich würde nie vergessen zu äußern, wie es mir geht! Den aktiven Teil musste ich jedoch aktiv lernen. Das erwähnte ich mal in einem in einer Team Fortbildung, als ich das Modell erläuterte. Der Chef der Truppe war verwundert: “ Bei mir ist es umgekehrt! Ich hab immer den aktiven Teil parat und vergesse die passive Botschaft. Vielleicht ist es genau das, was mein Team braucht?“ Nicken im Team…

Vielleicht magst du dir einen großen Zettel in die Küche hängen mit der Erinnerung an die aktive und die passive Botschaft. Dann denkst du das nächste Mal daran, wenn du in Konfliktsituationen bist oder in einer Auseinandersetzung. Auf jeden Fall ist es wichtig, das zu üben. Ich rate dir dazu, mit deinen Mitmenschen (Partner*in/ Kinder/ Kollegen) darüber zu sprechen und sie zu fragen, was sie davon halten.

Ich wünsche dir bei der Umsetzung viel Freude und viele schöne Aha – Momente!

Hier ist nochmal der Link zu meinem Artikel „Mein Raum – meine Grenzen“.

Schreib mir, wie es dir bei der Umsetzung geht!

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