Seit knapp vier Jahren lebe ich mit Long Covid bzw. dem sogenannten Fatigue-Syndrom. In dieser Zeit habe ich wirklich viel ausprobiert und Atemtherapie gehört definitiv zu meinen Gamechangern!
Ich möchte dir ein paar Atemtechniken vorstellen, die mir persönlich sehr geholfen haben auf meinem Genesungsweg. Dies soll kein Heilversprechen sein, denn auch mein Genesungsweg ist noch lange nicht beendet! Aber ich gehe ihn und das ist das Wichtigste!
Es geht mir körperlich besser, Pacing fällt mir leichter und meine Symptome haben sich gebessert.
Hier möchte ich dir einen Überblick geben über verschiedene Atemtechniken, welche ich im Laufe der Zeit kennengelernt habe und welche ich teilweise täglich praktiziere. Wenn du mehr über die Methoden erfahren möchtest, dann lies Teil 1 dieses Artikels.
- 1. Die wichtigsten Methoden und Atemübungen bei Long Covid, ME/CFS und Fatigue Syndrom
- 2. Wie übe ich am sinnvollsten, wenn ich Long Covid bzw. ME/CFS habe?
- 3. Hi, ich bin Anke!
- 4. Das bekommst du von mir:
- 5. Jahresrückblick 2023: Zurück zur Balance
- 6. Stressmanagement für Mütter: so integrierst du Entspannungsübungen in den Familienalltag
- 7. Rückblick Januar 2024: Gas geben und Bremse ziehen
Die wichtigsten Methoden und Atemübungen bei Long Covid, ME/CFS und Fatigue Syndrom
Ein überaktives oder dysreguliertes Nervensystem verbraucht sehr viel Energie. Wenn du es schaffst, dein Nervensystem mit deiner Atmung zu beruhigen, dann wird sich wahrscheinlich auch deine Belastungsintoleranz verbessern.
Ich möchte dir jetzt vier Atemtherapien vorstellen, drei davon eignen sich wunderbar zur Selbstbehandlung.
Reflektorische Atemtherapie
Die Reflektorische Atemtherapie ist keine Therapieform, mit der du dich selbst behandeln kannst. Du kannst sie dir aber verschreiben lassen. Hier findest du qualifizierte Therapeut*innen.
Die Reflektorische Atemtherapie wirkt sowohl auf das Atem- als auch auf das Nervensystem.
Die Therapeut*in behandelt zuerst den Rücken mit heißen und nassen Handtüchern. Das Gewebe wird dadurch weich und warm. Danach wendet die Therapeutin Handgriffe und Striche an, welche die Atmung anregen. Diese Behandlung kann auch etwas schmerzhaft sein, vor allem, wenn man sehr verspannt ist. Das löst sich aber mit der Zeit. Man sollte für die Behandlung mindestens 1 Stunde Zeit haben, da zwischen den Griffen ebenfalls Zeit gegeben wird zum Atmen. Meistens kommen dann ganz tiefe, reflektorische Atemzüge, die anzeigen, dass der Parasympathikus sich einschaltet. Da diese Atemzüge reflektorisch stattfinden und nicht bewusst ausgeführt werden, wird diese Atemtherapie auch Reflektorische Atemtherapie genannt.
Buteyko Atmung
Was bewirkt Buteyko-Atmung?
Das Ziel der Buteyko-Atmung ist es, das Atemvolumen und die Atemfrequenz zu reduzieren. Dadurch wird der CO₂-Gehalt im Körper erhöht. Durch die langsame und flache Atmung gewöhnt sich der Körper daran, dass mehr CO₂ in ihm ist. Je mehr CO₂ im Körper ist, desto mehr Sauerstoff wird in den Zellen freigesetzt.
Paradoxe Weise führt also eine langsame Atmung zu mehr Energie!
Wie funktioniert die Buteyko Atmung?
Bei der Buteyko Atmung verlängern wir den Ausatem und halten danach die Luft an (Apnoephase).
- Einatmen auf 4 SEC
- Ausatmen auf 6 + SEC (bis die Lunge leer ist, mindestens länger als der Einatem)
- Apnoe ohne Spannung aufzubauen (Unterschied zum Hypopressiven Atemtraining) für 2+ SEC
- Einatmen auf 4 SEC usw.
Wenn du beim nächsten Einatmen nach Luft schnappen musst, dann hast du zu lange die Luft angehalten. Taste dich also in der Apnoephase langsam voran.
Den Effekt in der Apnoephasen kannst du noch verstärken, indem du eine Bewegung einbaust. Da reicht auch ein leichtes Nicken oder das Wackeln mit den Zehen.
Herzkohärenz Atmung
Mit der Herzkohärenzatmung kannst du deine Herzratenvariabilität positiv verändern.
Die Herzratenvariabilität (HRV) beschreibt die Variabilität der Zeit zwischen zwei Herzschlägen, also wie viel Zeit vergeht zwischen zwei Herzschlägen. Man denkt oft, dass die Zeit zwischen den Herzschlägen immer gleich ist, aber tatsächlich variiert sie stark – beim Einatmen und Ausatmen ändert sich der Abstand zwischen den Schlägen deutlich. Diese Messung ist sehr kompliziert und ich kann sie hier nicht beschreiben. Lies gern hier weiter.
Ein niedriger HRV lässt auf viel Stress schließen. Ein hoher Wert zeigt, dass du erholt bist und dass du Belastungen besser tolerieren kannst.
Was bewirkt die Herzkohärenz Atmung?
Die Herzkohärenz Atmung bewirkt, dass du dich gut entspannst und dein HRV Wert mit der Zeit steigt. Studien haben nachgewiesen, dass bei chronischen Krankheiten oder Stress die HRV oft sinkt.
Der Wert schwankt häufig.
Ich bemerke z.B. immer wieder, dass mein HRV steigt, wenn ich entspannt bin und wenn ich regelmäßig die Herzkohärenzatmung praktiziere. Andererseits sinkt der Wert, wenn ich Stress habe. Oder wenn sich ein Infekt ankündigt – das erlebt mein Körper schon vor mir als Stress!
Bessel van der Kolk beschreibt in seinem Buch „Verkörperter Schrecken“, wie sich mit regelmäßigem Üben die PTBS-Symptome seiner Patienten (Vietnamveteranen) verbessert haben! Sie litten seltener unter Flashbacks und anderen Traumasymptomen. In diesem Buch habe ich das erste Mal von dieser Atemtherapie gelesen und wurde hellhörig!
Da ist es doch gut zu wissen, dass du mit einer Atemmethode Einfluss auf dein Herz und dein Nervensystem nehmen kannst!
Wie funktioniert Herzkohärenzatmung?
Hier sind Ein- und Ausatmung total identisch, denn in Studien wurde festgestellt, dass das perfekte Intervall sechs Atemzüge pro Minute sind, um Sympathikus und Parasympathikus wieder in die Balance zu bringen.
Ich empfehle dir sehr, diese Übung mit der kostenlosen App BreathBall zu üben. Dort gibt es einfach nur einen Gong (das kannst du dir alles einstellen, die App ist übersichtlich und intuitiv) und dann kannst du atmen.
Atemmuster Herzkohärenzatmung:
- Einatmen 5 sec
- Ausatmen 5 sec usw.
Wenn es nicht passt für dich, kannst du die Zeit auch variieren, also z.b. einen 4 -Sekunden-Rhythmus einstellen.
Ich selber praktizieren mit dieser App seit über einem Jahr wirklich jeden Tag 20 Minuten, weil ich dabei liegen kann, nichts tun muss (außer atmen, was ich ja eh mache 😉) und mich wirklich wunderbar entspanne. Ohne diese Übung würde ich nicht mit zwei Klient*innen an einem Tag arbeiten können (ich lege die 20 Minuten zwischen die Sitzungen).
Hypopressives Atmen
Hypopressives Atemtraining ist ziemlich anstrengend. Wenn du mit einem chronischen Erschöpfungssyndrom wie Long Covid und/ oder ME/ CFS lebst, dann könnte das Training dich sehr anstrengen. Mach dann nur einen Atemdurchgang und erhole dich danach.
Die genaue Technik sprengt den Rahmen dieses Artikels. Sobald ich Gelegenheit habe, werde ich einen gesonderten Artikel dazu schreiben und ein Video für dich aufnehmen.
Hier nur eine kurze Zusammenfassung:
Es gibt verschiedene Haltungen, die Ausgangs und Grundhaltung ist im Stehen, die Knie sind leicht gebeugt, der Brustkorb befindet sich über dem Becken, welches in einer neutralen Position steht. Beim Ein- und besonders beim Ausatmen wird das Zwerchfell mit einbezogen und somit gestärkt. Die Haltungen können symmetrisch und (für Fortgeschrittene) auch asymmetrisch sein. Fortgeschrittene können auch Rotationen in der Apnoephase mit einbauen.
Was ist Hypopressives Atemtraining?
Das Hypopressive Atemtraining trainiert besonders die Zwerchfellmuskulatur und Bauchmuskulatur. Dadurch wird eine effektive Atemmechanik gefördert und überanstrengte Atemhilfsmuskeln werden entlastet. Zudem wirkt es auf unsere Faszien, die dadurch gedehnt und aktiviert werden.
Wie funktioniert Hypopressives Atmen?
Ein Atemdurchgang beinhaltet drei Atemzüge:
- Einatmen
- kräftiges Ausatmen
- Einatmen
- kräftiges Ausatmen
- Einatmen
- kräftiges Ausatmen bis keine Luft mehr in der Lunge ist
- Apnoephasen von 6 bis 15 sec.
Wie übe ich am sinnvollsten, wenn ich Long Covid bzw. ME/CFS habe?
Wichtig ist, dass du regelmäßig übst. Es ist wirklich wichtig, dass du dir jeden Tag dafür Zeit nimmst UND dass du auf deine Pacing-Grenzen achtest.
Wenn du dir jedoch zu viel vornimmst, dann kann es passieren, dass du gar nicht erst anfängst.
Daher ist mein Tipp: Such dir die Atemübung raus, die du magst und fang mit 5 Minuten an. Weniger ist besser als nichts!
Wenn es dich sehr anstrengt, dann ist es vielleicht leichter, wenn du öfter, aber kürzer übst. Z.B. alle 2 h für 2 Minuten.
Ich selbst praktiziere seit einem Jahr täglich 20 Minuten die Herzkohärente Atmung, manchmal sogar zweimal 20 Minuten am Tag. Und habe auch die Buteyko Atmung und das Hypopressive Training inzwischen mit dazu genommen. Oft variiere ich die Atemtechnik: zu 50 % mache ich jedoch die Herzkohärenzübung, also mindestens 1x täglich, weil ich meinen HRV Wert verbessern möchte und durch die Übung einen Grund habe, mich VOR einem Crash hinzulegen und die Augen zu schließen (eine meiner schwersten Übungen 😅) .
Wenn es dir schwerfällt, dich zu motivieren und ohne Anleitung zu praktizieren, dann hol dir meinen Onlinekurs „Wieder Kraft für den Alltag: Stressabbau und Nervensystemregulierung bei Longcovid“, dort leite ich Atem- und Vagusübungen an und erkläre sie in kurzen Videos.
Bis zum nächsten Mal,
Deine


Hi, ich bin Anke!
Als Traumatherapeutin unterstütze ich dich darin, dein Nervensystem zu stabilisieren und wieder in deine Kraft zu kommen!
Pingback: Meine To-want-Liste für das 4. Quartal 2024 - Anke Stadelbauer