ein Weg wird entzweit zu zwei Wegen, dazwischen ein Baum. Titel: Wie du mit Rechtfertigungen deine Beziehungen sabotierst, Teil 1

Wie du mit Rechtfertigungen deine Beziehungen sabotieren kannst

Rechtfertigungen zerstören Beziehungen. Ich muss es wissen, denn ich bin die Queen of Rechtfertigung. Ich habe mich in meinem Leben so oft gerechtfertigt, dass ich mich damit richtig gut auskenne. Und ich habe auch schon alle möglichen Reaktionen darauf bekommen. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich mich nicht mehr rechtfertige. Leider stimmt das nicht. Immer noch bin ich viel zu schnell dabei. Doch mal langsam, dies ist ein Blog und den hätte ich jetzt gern ein bisschen strukturiert. Da es zu dem Thema echt viel zu sagen gibt, erscheinen Lösungsmodelle in Teil 2 des Artikels „Raus aus der Rechtfertigungsschleife“.

In diesem Teil soll es darum gehen, dass du erkennst, wann du dich unnötigerweise rechtfertigst. Denn Rechtfertigungen sind nicht nur destruktiv, sondern auch überflüssig.

Meine Ausbilderin Christine Ordnung hat mir mal gesagt: „Anke, du musst dich nicht recht-fertigen. Dein Recht ist schon fertig“. Das hat mich sehr beeindruckt und seitdem übe ich, mich nicht zu rechtfertigen.

Rechtfertigungen sind wie eine Wand, die man zwischen sich und seinem Gegenüber aufbaut. Man sucht Verständnis, schlägt den anderen aber in die Flucht. Beziehungssabotage eben.

Damit du nicht so lange und mühsam lernen musst wie ich, schenk ich dir heute diesen Artikel!

Was heißt hier Sabotage?

Im Therapeutenjargon wird es etwas förmlicher ausgedrückt: „die Person geht aus dem Kontakt“. „Aus dem Kontakt gehen“ heißt nicht, dass jemand sich umdreht und geht. “Aus dem Kontakt gehen“ bedeutet durchaus, dass man miteinander Wörter austauscht.

Mit „aus dem Kontakt gehen“ ist gemeint, dass ich mit einer Person rede, meine Worte die Person aber nicht erreichen. Oder umgekehrt: jemand erklärt mir etwas, aber ich kann nicht zuhören. Ich kann es aus xy Gründen nicht hören bzw. aufnehmen. Wenn die redende Person das nicht merkt und immer weiter spricht, dann können wir zwar an einem Tisch sitzen, haben aber keinen („wirklichen“) Kontakt.

Das „wirklich“ setze ich mal in Anführungsstiche, da es genügend Menschen gibt, denen das reicht und für die so eine Situation ein „wirklicher Kontakt“ ist.

Bitte nicht falsch verstehen: ich habe überhaupt nichts gegen Small talks. Und ich finde auch nicht, dass jedes Gespräch absolut tiefgründig sein muss. Ich spreche von etwas anderem. Und während ich das schreibe, merke ich, wie schwierig es ist genau das zu beschreiben.

Ein paar Beispiele für einen missglückten Versuch, Kontakt in einer Beziehung herzustellen

  1. Erstes Date

    In meinen jungen Single-Jahren hatte ich einige Male Dates mit Männern, welche die ganze Zeit über nur von sich erzählten und keine einzige Frage an mich stellten. Damals war ich unsicher und wollte höflich sein. Also nickte ich nur und schaltete innerlich ab. Der Mann hatte vermutlich einen tollen Abend: er hat sich ja blendend mit mir unterhalten und sich von seiner besten Seite gezeigt. Ich war tödlich gelangweilt und froh, nach Hause gehen zu können. Für mich gab es da keinen Kontakt. 
    Der Mann hat mit seinem Monolog eine Beziehung sabotiert, die es noch nicht gab. Und das gleich am ersten Tag! Chapeu!

    Ich glaub, das war ein leicht verständliches Beispiel für einen Kontakt ohne Kontakt.

    Komplizierter wird es hier:

  2. Beispiel: Paarbeziehung 

    Sarah hat die Kinder ins Bett gebracht und ärgert sich, weil der Geschirrspüler noch voll ist. 
    Sarah: „Hättest du in der Zwischenzeit nicht mal den Geschirrspüler ausräumen können?“
    Mike reagiert: „Ich hab auch lange gearbeitet und habe den Kopf voll. Da kann ich nicht sofort den Geschirrspüler ausräumen“. 
    Er hat geantwortet und seine Gründe dargelegt. Mit Sicherheit entsteht hier aber kein wärmender Kontakt, sondern eine Diskussion. Vermutlich wird Sarah mit einsteigen und sie werden versuchen, sich mit Argumenten zu übertreffen, bei der Gelegenheit noch aufzählen, wer wie oft die Wäsche gemacht hat und einkaufen war….
    Du kennst die Story… 

  3. Beispiel: Beziehung zum Kind

    Dein Kind will die dritte Folge einer Serie gucken. Du sagst Nein. Dein Kind wird wütend, es ärgert sich. Du fängst sofort an zu erklären, warum du die dritte Folge nicht erlauben kannst (es ist spät, morgen ist Schule, du hat schon genug ferngesehen…)

    Auch hier: viel Text, kein Kontakt

In Teil 2 dieses Artikels „Ausstieg aus der Rechtfertigungsschleife“ erfährst du, wie die Situationen besser hätten laufen können (mit Kontakt).

Was sind Rechtfertigungen

Mit Rechtfertigungen versucht eine Person, ihr Verhalten, ihre Entscheidungen oder ihre Handlungen zu erklären oder zu verteidigen aus eigenem Wunsch oder Zwang heraus. Manche Menschen rechtfertigen sich bereits, wenn sie nur vermuten, dass jemand Kritik äußern oder nicht einverstanden sein könnte mit dem Verhalten.

Rechtfertigungen erfolgen meist aus dem Wunsch (oder fast schon Zwang), sich besser zu fühlen. Die Person fühlt sich schlecht, unzulänglich oder schuldig, erträgt es aber nicht und sucht durch die Rechtfertigungen eine Art „Absolution“. Rechtfertigungen sind eine Versuch, sich zu schützen oder Verantwortung für das eigene Verhalten abzuwälzen („ich konnte nicht anders, weil….“)

Tief innen gibt es also den Wunsch, gehört und verstanden zu werden. Der wird leider häufig nicht geäußert, was schade ist, denn genau das würde wieder Kontakt herstellen.

Was ist der Unterschied zwischen Rechtfertigungen und Begründungen?

Häufig höre ich „ich muss doch meine Gründe darlegen“.

Es ist sinnvoll, zwischen begründen und rechtfertigen zu unterscheiden, denn Rechtfertigungen und Begründungen haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Beziehung.

Wenn mich jemand fragt “warum bist du zu spät gekommen?“ dann möchte diese Person einen Grund von mir hören und wenn ich ihn nenne, begründe ich mein Verhalten. Die andere Person ist offen für meine Gründe. Die Nennung meiner Gründe führt zu mehr Verständnis und das wiederum stärkt die Beziehung.

Eine Rechtfertigung wird meist geäußert, obwohl nicht nach Gründen gefragt wird. Sie passiert aus einem schlechten Gefühl heraus. Dieses Gefühl, was sich häufig nicht genau benennen lässt, lädt den Satz emotional auf. Es handelt sich um eine Abwehrhaltung, welche dem Gegenüber Kampf signalisiert und das schwächt in diesem Moment die Beziehung.

Die Auswirkungen von Rechtfertigungen

Die Art, wie wir reden und handeln hat Einfluss auf unser Gehirn, unser Nervensystem und auch auf unsere Beziehungen. Du weisst es sicher: 80% unserer Kommunikation werden nonverbal übermittelt, nur 20% verbal. Es kommt also auf das WIE an, wenn ein WAS ankommen soll, WIE es gemeint ist.

Klingt erstmal kompliziert, ist es aber nicht, wenn man sich die Abläufe in Gehirn anschaut:

Das passiert in unserem Gehirn und Nervensystem

Um besser zu verstehen, warum sich Rechtfertigungen negativ auf die Beziehung auswirken, möchte ich einen kleinen Exkurs in unser Gehirn machen. An diesem Bild siehst du, dass unser Gehirn verschiedene Ebenen hat. Wir können das mit einem Haus vergleichen. Oben unter dem Dach ist der Kortex. 

Er ist verantwortlich für höhere kognitive Funktionen wie Sprache und Bewusstsein und spielt auch eine Rolle bei der emotionalen Verarbeitung. Wenn wir uns hier unter dem Dach (im Kortex) befinden, sind wir zugänglich für Argumente und rationales Denken.

Eine Etage tiefer, im Erdgeschoss, befinden sich das limbische System, welches uns befähigt, in Beziehung zu sein. Dort liegt auch die Amygdala, wegen ihrer Form auch Mandelkern genannt. Die Amygdala ist die Alarmglocke im Haus, unser Feuermelder. Sie riecht Rauch und schreit „Alarm“. Sie weiß nicht, ob eine Kerze zu nah am Rauchmelder steht oder das Haus brennt. Sie schreit einfach.

Wenn sie schreit, rennen die Bewohner des Hauses, also wir, in den Keller, um uns zu schützen. Der Keller im Gehirn ist unser Reptiliengehirn. Es ist der älteste Teil des Gehirns. Es war zuerst da und hat – geschichtlich betrachtet – die meisten Erfahrungen.

Nun stell dir vor, du bist in deinem Brandschutzkeller und dein Partner sitzt oben im Dachgeschoss und will dir erklären, dass der Brand gar nicht so schlimm ist. Wie sollst du ihn hören?

Das passiert in deinem Gehirn und Nervensystem: 

Ist das Reptiliengehirn “an”, schaltet sich der Kortex “aus”. Logisch, wir sparen Energie.

Man möge sich vorstellen, ein Tiger erschiene und ich wäge in Ruhe die Vor- und Nachteile einer Flucht ab. „Woher weiß ich eigentlich, dass der mich fressen will? Vielleicht ist er ja satt und desinteressiert? Könnte ja sein, dass er friedlich weiterzieht- sollte ich deswegen mein gemütliches Plätzchen verlassen? „

Du merkst, wie absurd das ist. Das findet die Amygdala auch und schreit “Alarm. Renn los!” Der Kortex hält die Klappe, denn der ist jetzt nicht dran und du rennst einfach.

Rechtfertigungen schwächen deine Position im Streitfall

Dazu möchte ich dir eine ganz persönliche Geschichte erzählen:

Ich hatte viele Gerichtsverfahren mit dem Vater meines Sohnes. Damals habe ich mich permanent für alltägliche Dinge gerechtfertigt – einfach nur, weil sie falsch ausgelegt wurden. Das Problem war hier, dass es niemand hören wollte. Und indem ich mich wie eine Löwenmutter verteidigte, gingen bei allen die Schotten hoch: bei dem Vater, der Richterin und den beteiligten Sozialarbeiterinnen. Niemand wollte es von mir hören und indem ich mich immer vehementer verteidigte, desto dicker wurden die Mauern und desto weniger wurde ich gehört. 

Es war ein langer Prozess zu lernen, meine ganzen Beweggründe nicht in diese Richtung zu kommunizieren, denn meine Position wurde dadurch dauerhaft schwächer. Ich galt als hysterisch und unbelehrbar.
Besser wurde es erst, als ich nicht mehr auf die Angriffe einging und nur noch das Nötigste so kurz wie möglich beantwortete. Ich bot keine Angriffsfläche mehr!

Dies ist ein Fall, in dem es nicht darum ging, Kontakt herzustellen. Es ging nicht um Beziehung. Das war ein echter Kampf und wird hier von mir als Beispiel angeführt, wie man mit Rechtfertigungen sein Recht verlieren kann.

So beeinflussen Rechtfertigungen die Beziehungsebene und verstärken den Konflikt 

Wenn ich mich rechtfertige, dann bin ich nicht mehr bei mir. Ich bin außer mir, denn ich will den anderen überzeugen. Das ist bereits eine schwache Ausgangsposition, denn dadurch fördere ich geradezu die Abwehr heraus und werde mein Ziel – gehört zu werden – wahrscheinlich nicht mehr erreichen.

Anders fühlt es sich an, wenn ich frage: „möchtest du meine Beweggründe hören?“ . Wenn dann ein Ja kommt, kann ich sicher sein, dass ich auch gehört werde.

Wenn dein Partner, deine Partnerin, Kind oder Freundin im Keller ist und das Reptiliengehirn regiert (Kampf, Flucht oder Erstarrung), dann ist der Kortex abgeschaltet und du wirst die Person nicht erreichen. Wenn du die Person erreichen möchtest, musst du zu ihr in den Keller gehen.

Dem Reptiliengehirn reicht es, wenn du einfach nur freundlich anwesend bist. Es schickt dann das Signal „alles sicher und in Ordnung“ an die Amygdala und die schaltet den Kortex wieder frei: er ist jetzt wieder aufnahmebereit für Argumente.

Wenn du jedoch anfängst, dein Verhalten zu rechtfertigen, wird sich dein Gegenüber unverstanden fühlen. Er/sie wird wahrscheinlich versuchen, gegen deine Gründe zu argumentieren. Das führt zu einer Argumentationsschleife, die Beziehungskonflikte verstärkt statt löst. 

Denk an unser Haus: Die Argumente wohnen im Kortex, unter dem Dach. Beziehung und Gefühle sind eine Etage tiefer. Vielleicht 

Beziehungskonflikte lassen sich NIE auf der Inhaltsebene lösen!  

Wie du aus der Schleife herauskommst, erfährst du in Teil 2. Dort zeige ich dir auch Möglichkeiten des Kontaktes aus den drei Beispielen von oben.

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