Glossar: Wichtige Begriffe rund um das Nervensystem einfach erklärt

Glossar: Wichtige Begriffe rund um das Nervensystem einfach erklärt

In diesem Glossar möchte ich dir die wichtigsten Begriffe rund um das Thema Nervensystem kurz und anschaulich erklären. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du einige von Ihnen bereits irgendwo gelesen oder gehört hast. Andere sind dir vielleicht noch neu, oder du wusstest gar nicht, dass sie mit dem Nervensystem zu tun haben.

Hier erkläre ich alle wichtigen Begriffe, die du kennen solltest, wenn du dich mit dem Nervensystem und Nervensystemregulierung beschäftigst:

Achtsamkeit

Wenn du übst, achtsam auf die Signale deines Körpers zu achten, förderst du deine Propriozeption, also die Fähigkeit zur Wahrnehmung deines Körpers.

Aktivierungsampel / Stressampel

Die Aktivierungsampel zeigt, wann unser Nervensystem ausgeglichen (grün = ich bin), überlastet (orange = ich kann noch), oder unter- bzw. über erregt ist (rot = ich kann nicht mehr).

Amygdala

Die Amygdala, auch Mandelkern genannt, ist ein kleiner Bereich im Gehirn, eingebettet im limbischen System. Die Amygdala ordnet alle Signale, die wir bekommen, ein, z. B. in die Kategorie Gefahr. Leider stimmt ihre Einschätzung manchmal (oft) nicht. Sie bewertet eine Situation als Gefahr, weil die Situation sie vielleicht an eine frühere Gefahrensituation erinnert. Dann veranlasst sie Stresssymptome im Körper, damit du erfolgreich kämpfen oder fliehen kannst. Sie reagiert oft schneller, als wir bewusst denken.

Autonomes Nervensystem

Das autonome Nervensystem steuert automatisch unseren Herzschlag, die Atmung, die Verdauung und viele andere Körperfunktionen. Es ist autonom, weil es diese Funktionen unabhängig von unserem Willen steuert. Es empfängt Signale, verarbeitet sie und löst Reaktionen aus.

Atmung

Die Atmung ist direkt mit dem Nervensystem verbunden. Bei der Einatmung ist der Sympathikus aktiv, bei der Ausatmung der Parasympathikus. Bei Stress verändert sich die Atmung: Sie wird schneller und flacher. Umgekehrt kann eine ruhige Atmung das Nervensystem beruhigen.

Atemübungen

Eine Möglichkeit, das Nervensystem zu regulieren, sind Atemübungen. Für eine Regulierung ist es wichtig, ganz langsam auszuatmen, denn nur in der Ausatmung wird der Parasympathikus aktiviert. Wenn es dir schwerfällt, langsam auszuatmen, dann nimm einen Strohhalm zur Hilfe!

Bottom-up

„Bottom-up“ bedeutet, dass Signale aus dem Körper unsere Gefühle und Gedanken beeinflussen – zum Beispiel, wenn eine tiefe Atmung uns beruhigt. Körperorientierte Traumatherapien wie z. B. Somatic Experiencing, aber auch Vagusübungen wirken vom Körper aus auf unser Nervensystem.
„Top-down“ ist der gegenteilige Ansatz.

Co – Regulation

Kinder und insbesondere Babys brauchen erwachsene Bezugspersonen, deren Nervensystem reguliert ist. Ein regulierter Erwachsener kann mit seiner inneren Ruhe das Gefühl von Sicherheit ausstrahlen und andere Menschen damit Co-Regulieren. Dieser Effekt ist ein wichtiger Aspekt in einer therapeutischen Beziehung (Therapeut*in reguliert Klient*in).

Dorsaler Vagus

Der dorsale Vagus ist der Teil des Parasympathikus, der sich einschaltet, wenn eine Situation für unser System zu viel ist. Er lässt uns erstarren, weil die Amygdala die Situation so einschätzt, dass Kämpfen oder Fliehen nicht möglich ist.

Entspannung

Entspannung ist ein Zustand, in dem Körper und Gehirn zur Ruhe kommen. Sie hilft, Stress abzubauen und das Nervensystem zu stabilisieren. Entspannung und Regulieren sind unterschiedliche Zustände!

Erregungszustände

Erregungszustände zeigen, wie angespannt oder ruhig unser Nervensystem gerade ist – von sehr ruhig bis stark aktiviert. Oder in der Nervensystem-Sprache ausgedrückt: Ist bei dir gerade der Sympathikus oder der Parasympathikus, genauer gesagt der dorsale oder der ventrale Vagus aktiv?
Mithilfe der Aktivierungsampel lernst du, diese Zustände bei dir leichter zu erkennen.

Erstarrungsmodus

Der Erstarrungsmodus ist eine Schutzreaktion, bei der der Körper in Stresssituationen „abschaltet“ oder sich bewegungsunfähig fühlt. Die Erstarrung, auch Kollaps oder Shutdown genannt, tritt ein, wenn Kampf oder Flucht nicht möglich ist. Aus dem Tierreich kennst du sicher den sogenannten Totstellreflex. Dieser ist der Erstarrungsmodus. Er tritt ein, wenn Sympathikus und Parasympathikus sich nicht mehr automatisch abwechseln. Ist der Sympathikus dauerhaft aktiviert, bremst ihn der dorsale Vagus. Wir erstarren, die Energie des Sympathikus bleibt jedoch im Körper. Entspannung wird unmöglich und du liegst vielleicht im Bett, mit dem Gefühl „tired but wired“.

Homöostase

Homöostase ist das natürliche Bestreben des Körpers, inneres Gleichgewicht zu halten – z. B. stabile Körpertemperatur oder Herzfrequenz. Jedes Wesen ist bestrebt, in einen Zustand der Homöostase zu kommen. Dieses innere Gleichgewicht zu finden, ist manchmal sehr schwer. Ein Beispiel: Du erschrickst und um wieder in eine Homöostase zu kommen, könntest du innehalten und einfach abwarten, bis die innere Aufregung sich von allein legt. Leider übergehen wir diese Zeichen oft und hetzen weiter – das Gleichgewicht bleibt gestört.

Kampf- oder Fluchtmodus

Im Kampf- oder Fluchtmodus ist der Sympathikus aktiv. Er sorgt dafür, dass unser Körper bereit ist, in Gefahrensituationen schnell zu reagieren: Das Herz schlägt schneller, die Atemfrequenz erhöht sich und alle Energie wird unserer Muskulatur, vor allem den Extremitäten, und für Kampf bzw. Flucht zur Verfügung gestellt.

Neokortex

Der Neokortex ist unser Vernunftsgehirn. Er ist der Teil des Gehirns, der für Denken, Planen und Entscheidungen zuständig ist. Der Neokortex kann nur dann arbeiten, wenn du dich sicher fühlst. Ein Beispiel, das du vielleicht aus der Schule kennst: Bei Angst vor dem Lehrer oder der Klausur konntest du nicht lernen.

Nervensystemregulierung

Vagusbalance -das Video zur Regulierung des Nervensystems

Wenn dein Nervensystem nicht von allein vom Sympathikus in den Parasympathikus wechselt, dann kannst du glücklicherweise nachhelfen! In meinem Video Vagusbalance bekommst du eine ganze Session (28 Minuten) mit geeigneten Atem- und Vagusübungen, um dein Nervensystem nachhaltig zu regulieren.

Neurozeption

Neurozeption ist die Fähigkeit unseres Körpers, automatisch zu erkennen, ob wir sicher sind oder Gefahr droht. Ständig werden Signale der Umwelt darauf abgescannt – häufig, ohne dass wir es merken. Ein traumatisierter Mensch ordnet häufig Merkmale als gefährlich ein, obwohl keine Gefahr droht. Das Nervensystem bleibt dann im sympathikotonen (Kampf-Flucht-Modus) oder dorsal-vagalen Zustand (Erstarrung) stecken.

Parasympathikus

Der Parasympathikus ist der „Ruhe- und Erholungsmodus“ des Körpers. Er hilft beim Verdauen, Entspannen und Regenerieren. Er ist aber auch die Bremse des Sympathikus: Wenn dieser zu lange aktiv ist, schaltet sich der dorsale Vagus ein und zieht die Notbremse. Wir erstarren, fallen in uns zusammen, haben einen Burn-out oder Crash (bei ME, LC, PVS).

Pendeln/Pendulation

Die Pendulation ist ein wesentlicher Bestandteil von Somatic Experiencing. Wir „pendeln“ mit der Aufmerksamkeit von möglichen traumatischen Inhalten hin zur Ressource. Oder von unangenehmen Wahrnehmungen hin zu angenehmen Wahrnehmungen. Ziel ist, dass das Nervensystem sich selbst regulieren kann, obwohl die Aufmerksamkeit bei der unangenehmen Wahrnehmung ist.

Peter Levine

Peter Levine ist ein Therapeut, der Somatic Experiencing entwickelt hat, eine Methode, um Stress und Trauma durch Körperwahrnehmung zu lösen.

Polyvagaltheorie

Die Polyvagaltheorie erklärt, dass neben dem Sympathikus auch der Parasympathikus mit zwei verschiedenen Teilen des Vagusnervs unsere Sicherheit, soziale Verbindung und Stressreaktionen steuert. Die zwei Stränge des Vagus sind der dorsale Vagus und der ventrale Vagus. Beide fahren die Körpersysteme herunter, allerdings mit unterschiedlichen Auswirkungen:
Der dorsale Vagus führt zu einer Erstarrung, weil der Sympathikus dauerhaft übererregt ist. Er steht für das allerletzte Überlebensprogramm, den Notschalter und das Gefühl von „Ich kann nicht mehr“.
Der ventrale Vagus fördert soziale Verbundenheit und das Gefühl von „Ich bin“.

Propriozeption

Propriozeption ist das Körpergefühl, also das Wahrnehmen von Haltung, Bewegung und Lage der eigenen Gliedmaßen. Sie hilft uns, Balance zu halten und den Körper zu spüren.

Reptiliengehirn

Das Reptiliengehirn ist der älteste Teil des Gehirns. Es steuert grundlegende Überlebensfunktionen wie Atmung, Herzschlag und Reflexe. Bei Gefahr bist du mit dem Reptiliengehirn unterwegs, denn es will dein Überleben sichern. Stell dir vor, du würdest einem Tiger gegenüberstehen. Keine Zeit für den Neokortex, sich zu überlegen, ob der Tiger satt ist oder nicht: Du rennst oder stellst dich tot!

Resilienz

Ein reguliertes Nervensystem erhöht die Stressresilienz. Stress und potenziell gefährliche Situationen werden als weniger bedrohlich wahrgenommen. Mit „potenziell“ sind Situationen gemeint, die fälschlicherweise von der Amygdala als gefährlich eingestuft werden, obwohl sie es nicht sind. Es ist z. B. erwiesen, dass Signaltöne Stresssymptome auslösen 👉🏼 Dein Handy piept, dein Körper reagiert mit erhöhtem Puls und doch sind wir uns einig: hier droht keine Gefahr für Leib und Leben. Eine erhöhte Resilienz lässt dich diese Signaltöne als ungefährlich einstufen und dein Körper reagiert nicht bzw. kann er innerhalb von wenigen Sekunden wieder in einen entspannten Zustand wechseln.

Selbstregulation

Selbstregulation bedeutet, dass wir lernen, unsere Gefühle, Gedanken und körperliche Erregung zu beruhigen und in Balance zu bringen. Selbstregulation beeinflusst unsere Entspannungsfähigkeit, ist aber nicht mit Entspannung gleichzusetzen.

Soziale Verbundenheit

Soziale Verbundenheit beschreibt das sichere Gefühl, mit anderen Menschen in Kontakt zu sein. Ist der ventrale Vagus aktiv, kannst du dich auf andere Menschen einlassen und mit ihnen in Kontakt gehen.

Somatic Experiencing

Somatic Experiencing (SE) ist eine Methode, um Stress und Trauma über die Körperwahrnehmung Schritt für Schritt zu verarbeiten. Begründer von SE ist Peter Levine.

Steven Porges

Steven Porges ist ein Wissenschaftler, der die Polyvagaltheorie entwickelt hat. Diese zeigt, wie unser Nervensystem Sicherheit und Stress steuert.

Sympathikus

Der Sympathikus ist der „Alarmmodus“ des Körpers. Er schaltet Energie frei, um auf Stress oder Gefahr zu reagieren.

Toleranzfenster

Das Toleranzfenster ist der Bereich, in dem wir uns wohl, handlungsfähig und sicher fühlen. Bei traumatisierten Menschen ist das Toleranzfenster häufig sehr eng – sie sind schnell außerhalb, reagieren schnell gereizt, frustriert oder sogar deprimiert. Eine Traumatherapie wie Somatic Experiencing oder auch die Arbeit mit dem Nervensystem kann das Toleranzfenster „weiten“. Ein weites Toleranzfenster bedeutet höhere Stressresilienz.
Du kennst das sicher: Ein und dieselbe Situation kann von zwei Menschen völlig unterschiedlich wahrgenommen werden. Im Extremfall rastet die eine Person aus und die andere Person lacht über den Vorfall. Rate mal, wer von beiden ein enges und wer ein weites Toleranzfenster hat 😉.

Top-down

„Top-down“ bedeutet, dass unser Denken oder bewusstes Lenken des Geistes unseren Körper und unsere Gefühle beeinflusst – zum Beispiel durch Atemübungen oder positive Gedanken. Top-Down-Techniken werden z. B. in der Verhaltenstherapie gelehrt. Diese sind auch sinnvoll, allerdings kannst du in Stresssituationen nicht darauf zurückgreifen. Sie werden im Neokortex abgespeichert und wie du schon weißt, schaltet dieser ab, sobald Gefahr droht. Und eine Stresssituation oder gar ein traumatischer Trigger sind pure Gefahr für unsere Amygdala!
Das Gegenteil von Top-down-Methoden sind Bottom-up-Methoden.

Trauma

Trauma entsteht, wenn unser Nervensystem durch eine überwältigende Erfahrung überfordert wird. Es kann sich in Stress, Müdigkeit oder Angst zeigen. Peter Levine sagt, dass Trauma nicht das Ereignis ist, sondern die Reaktion des Nervensystems. Bzw. wird ein Trauma begünstigt, wenn Impulse, die vom Ereignis ausgelöst werden, nicht vollendet werden können. Du hast z. B. den Impuls, wegzurennen, es ist jedoch nicht möglich, weil du festgehalten wirst.
In einer Traumatherapie wie Somatic Experiencing würden wir diese unterdrückten Impulse finden und vollenden, damit dein Nervensystem körperlich begreift „ich hab es geschafft, ich bin jetzt sicher“.

Vagusübungen

Vagusübungen sind einfache Atem- oder Körpertechniken, die den ventralen Teil des Vagusnerves aktivieren und helfen, das Nervensystem zu beruhigen. Sie wirken über den Körper zurück auf das Gehirn (s. Bottom-up).

Ventraler Vagus

Der ventrale Vagus ist der Teil des Nervensystems, der uns Sicherheit, Ruhe und soziale Verbundenheit spüren lässt. Er schaltet sich ein, wenn wir uns sicher fühlen. In einem ventralvagalen Zustand fühlen wir uns wohl und mit unseren Mitmenschen verbunden.

Verbundenheit mit dir

Verbundenheit mit dir erlangst du mit meinem Video Vagusbalance. Du bekommst du eine ganze Session (28 Minuten) mit geeigneten Atem- und Vagusübungen, um deine Propriozeption und deine Verbundenheit mit dir über den ventralen Vagus zu fördern und damit dein Nervensystem nachhaltig zu regulieren.

Bis zum nächsten Mal und bleib neugierig auf dich!

Deine

Anke
anke am strand in Dänemark, Lebensfreude und Energie trotz Longcovid

Hi, ich bin Anke!

Als Traumatherapeutin und zertifizierte Anwenderin von Somatic Experiencing unterstütze ich dich darin, dein Nervensystem zu stabilisieren und wieder in deine Kraft zu kommen!

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