Diese Blogparade von Susanne Berg „Die Welt braucht Frauen – Was tust du, um Frauen zu stärken?“ hat mich sofort angezogen, denn ich habe schon immer gern mit Frauen gearbeitet. In den neunziger Jahren habe ich Bauchtanzkurse gegeben und erlebt, wie Frauen über den Tanz selbstbewusster und somit auch selbstbestimmter geworden sind.
Inzwischen arbeite ich als Therapeutin: mit Frauen allein oder mit ihren (überwiegend männlichen) Partnern und unterstütze Frauen darin, sich besser kennenzulernen und zu ihren Bedürfnissen und Grenzen zu stehen.
Warum ich Frauen unterstütze
Frauenprägung in der Gesellschaft
Ich bin aufgewachsen in der DDR. Meine Mutter war alleinerziehend mit zwei Kindern und hatte das volle Programm: arbeiten, Kinder versorgen, Haushalt schmeißen.
Auch wenn sie einen Partner gehabt hätte, hätte sie wahrscheinlich voll gearbeitet: so, wie es in der DDR üblich war. Das wird auch heute noch romantisiert: “In der DDR waren Frauen gleichberechtigt. Sie haben voll gearbeitet.“
Ja, ist denn das automatisch Gleichberechtigung? Nein! Die Frauen haben nach 8 Stunden Arbeit den Haushalt gemacht und sich um die Kinder gekümmert. Das war breiter Alltag in der DDR. Manchmal denke ich, dass es die Frauen im Westen Deutschlands leichter hatten, denn die waren häufig zu Hause und hatten nicht die Doppelbelastung (was natürlich immer noch nichts mit Gleichberechtigung zu tun hat!)
Leider ist es auch heute noch so, dass diese Doppelbelastung Alltag für viele Frauen ist. Sie arbeiten, sie bringen die Kinder in die Kita, sie trösten die Kinder, wenn sie weinen, sie halten Kontakte zu den Freunden aus der Kita, besorgen Geburtstagsgeschenke für die eigenen Kinder und für die Partys, auf welche die Kinder eingeladen sind. Nicht selten besorgen Frauen auch die Geschenke für die Mütter des Gatten und erinnern ihn freundlich daran, seiner Mutter doch zum Geburtstag zu gratulieren.
Grenzen stärken vs. Grenzüberschreitungen als „Normalität“
Ein weiterer Faktor sind emotionale und auch körperliche Grenzüberschreitungen, welche viele Kinder, insbesondere Mädchen, in ihrer Kindheit erleben mussten. Dies sind leider keine abgeschlossenen Kapitel. Die Folgen von Grenzüberschreitungen in der Kindheit ziehen weite Kreise und wirken unbearbeitet ein Leben lang.
Viele Frauen, deren Grenzen als Mädchen ständig überschritten wurden, merken nicht, dass sie selber häufig die Grenzen ihrer Partner/Partnerin beziehungsweise Kinder überschreiten. Wenn die Frauen es dann merken, oder ich sie darauf hinweise, sind sie häufig schockiert. Das wollen sie natürlich auf keinen Fall!
Meine tiefste Überzeugung ist es, dass nur jemand, der selbst intakte Grenzen hat, Grenzen von anderen Menschen akzeptieren kann. Und genau deshalb stärke ich Frauen!
Meine Prägung als Kind
Als ältere Schwester bin ich schnell in die Rolle gerutscht, meine Mutter zu unterstützen. Diese Selbstständigkeit wurde damals bewundert. Inzwischen bin ich nicht mehr so begeistert davon, denn ich weiß als Therapeutin, dass das dazu geführt hat, dass ich mich ganz schnell für andere Menschen verantwortlich fühle und der Meinung bin, ich müsse den Job der anderen übernehmen. In meiner Wahrnehmung wurde mein Bruder geschont: Er war jünger, aber oft krank und bekam auch ab und an seine Wutanfälle. Da war ich viel ruhiger, unauffälliger und angepasster.
Durch dieses Muster habe ich immer wieder gemerkt, dass ich mir die Butter vom Brot nehmen lasse. Ich bin mit Glaubenssätzen aufgewachsen wie: „Andere haben es schwerer -Bescheidenheit ist ein Gut – Anspruchslos sein ist eine gute Eigenschaft – usw.“ Es ist doch interessant, dass ich mich mein Leben lang immer wieder für die Selbstständigkeit entschieden habe, in der ich aktiv dafür sorgen muss, zu bekommen, was ich wert bin. Und ich kann mit stolz sagen, dass ich das gut gelernt habe! Ich habe mich als Tänzerin nicht unter Wert verkauft und auch jetzt stehe ich zu meinen Preisen.
Wie ich Frauen unterstütze
Frauen stärken in ihren Grenzen
Als ich als Therapeutin angefangen habe, da war mir die Zielgruppe so ziemlich egal. Beziehungsweise war meine Zielgruppe eine Person, die eben Therapie machen möchte. Inzwischen habe ich gemerkt, dass die Einzelarbeit mit Frauen mir leichter fällt, weil die Frauen häufig mit Themen kommen, die ich selbst als Frau so gut kenne. Es sind meistens die Themen, die auch in meinem Leben bereits aufgetaucht sind und mit denen ich die Frau wunderbar unterstützen kann und möchte. Mein großer Wunsch ist es, Frauen dorthin zu bringen, dass sie sich abgrenzen können, dass sie lernen, nein zu sagen, dass sie ihre Bedürfnisse besser kennenlernen und dass sie lernen, diese auch zu kommunizieren. Und zwar, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben!
Ich wünsche mir, dass Frauen mit festem Boden unter den Füßen sagen, was sie bewegt und was sie wollen und brauchen. Meine Überzeugung ist, dass das die Welt ein Stück besser machen würde, denn es würde vieles in ein Gleichgewicht bringen.
Ich möchte, dass Frauen lernen Nein zu sagen
Wenn ich als Frau meine Bedürfnisse und auch meine Grenzen besser kennenlerne, und diese kommuniziere, dann wird es mir zur Natur werden, auch Nein zu sagen. Und dieses Nein ist ein großartiges Vorbild für meine Tochter!
Kleine Kinder sagen automatisch ständig nein, denn sie haben ein untrügliches Gefühl für ihre Grenzen! Das sollten wir auf jeden Fall schützen und jedes Nein willkommen heißen! D.h. ja nicht, dass wir uns dann nach unseren Kindern richten müssen. D.h. nur, dass das Nein in Ordnung ist und der Beginn eines Dialoges über Grenzen und Bedürfnisse ist. Das müssen aber viele Frauen erst einmal lernen. Die meisten von uns Frauen haben halt gelernt, Ja zu sagen, um in Beziehung zu bleiben oder um unsere Bezugspersonen nicht zu verärgern oder gar zu verlieren. Oder vielleicht sogar durch Ignoranz bestraft oder ausgeschlossen zu werden. Dies sind alles sehr schmerzhafte Erfahrungen, die Jungen und auch Mädchen machen.
Wenn du dich jetzt gerade angesprochen fühlst, dann ist es wahrscheinlich auch genau dein Thema, Nein sagen zu lernen. Ich kann dich nur ermuntern, es auch zu tun!
Ich meinerseits unterstütze Frauen sehr, sehr gerne darin, sich mit ihren Bedürfnissen und Grenzen sichtbar zu machen. Und häufig kommen die Frauen mit genau diesem Anliegen zu mir.
Viele Frauen merken aber erst im Laufe der Sitzungen, dass sie eigentlich nicht Nein sagen können und dass dies die Ursache ihrer Symptome ist: Unzufriedenheit, sich gehetzt fühlen, das Gefühl, nie fertig zu werden/ nie genug zu sein/ ausgenutzt zu werden, innere Unruhe bis hin zu körperlichen Symptomen wie Tinnitus oder Herzrasen.
Warum ist dein Nein als Mutter Vorbild für deine Tochter?
Stell dir vor, ein Auto hält neben deiner Tochter und der Fahrer fragt, ob er sie mitnehmen kann? Was möchtest du, was deine Tochter antwortet?
Stell dir vor, deine Tochter ist in der Pubertät und bekommt Drogen angeboten. Was möchtest du, was sie antwortet?
Stell dir vor, deine Tochter wird begrapscht. Was möchtest du, was sie antwortet?
Ich glaube, dass du möchtest, dass deine Tochter weiß, wie man Nein sagt! Und das lernt sie, wenn sie eine Mutter hat, die nicht jedem einen Gefallen tut gegen ihren eigenen Willen, sondern die weiß, wie man Nein sagt!
Paartherapie unterstützt Frauen, indem sie das Paar unterstützt
In der Sitzung mit Paaren ist das etwas anders. Das möchte ich hier ganz klar abgrenzen: dass ich in der Paartherapie nicht die Partei der Frau einnehme. Hier unterstütze ich beide dabei, wieder miteinander in Kontakt zu kommen. (Ich habe zwar bereits mit Menschen aus dem LGBTQIA+ Spektrum gearbeitet, die Paare, die zu mir kamen, waren bisher jedoch zu 99 % heterosexuell, daher beziehe ich mich jetzt auf diese Variante der Beziehungsform).
Indem ich das Paar unterstütze, wieder in Kontakt miteinander zu bekommen, fördere ich die Beziehungsfähigkeit des Mannes und der Frau.
In den Sitzungen mit Paaren merke ich oft, dass es besonders Frauen schwerfällt, zu sagen, was sie möchten und dass sie häufig viel zu viel Verantwortung übernehmen. Sie übernehmen häufig die Verantwortung für die anderen Mitglieder der Familie. Wenn der Mann bei der Sitzung anwesend ist, dann ist das häufig sehr erhellend für ihn. Denn die meisten Männer möchten gerne ihre Frauen unterstützen und fühlen sich durch die Überverantwortlichkeit der Frauen eher ausgehebelt. Viele Männer haben das Gefühl, keine Chance zu haben, sich wertvoll einzubringen! Wenn das die Frauen dann hören, sind sie häufig überrascht und auch berührt!
In den Sitzungen geht es also oft darum, sich auf diesem schmalen Grat anzunähern, sich zuzuhören, besser kennenzulernen und für die Frauen häufig: loszulassen, was sie von klein auf gelernt haben.
Gleichwürdigkeit in der Beziehung
Ich liebe diese Arbeit sehr, denn es ist mein großer Wunsch, dass Frauen sich sichtbarer machen in ihrer Beziehung. Denn nur, wenn sie sich in der Beziehung sichtbar machen, kann die Beziehung auch gelingen. Und eine gelungene Beziehung ist eine Bereicherung für das Paar und die ganze Familie. Die Vorbildfunktion, die so eine Beziehung hat, wirkt auch auf die Kinder, die dadurch die Chance bekommen, gleichwürdige Beziehungen zu lernen.
Besonders für Mädchen ist es wichtig zu erleben, dass die Mutter Grenzen hat, diese sichtbar macht für ihre Familie und sich nicht aufopfert!
Ich unterstütze das Paar dabei, gleichwürdig in Kontakt miteinander zu treten.
Frauen in der Sprache sichtbar machen
Vor einiger Zeit habe ich mich entschieden, auf meiner Webseite und in meinem Podcast nur noch Frauen anzusprechen. Mich hat es geärgert, dass überwiegend Männer, aber auch Frauen sich über das Gendern aufregen. Das Gendern würde die Sprache kaputt machen. Ja, es hört sich wirklich etwas holprig an, wenn ich sage Künstler*in statt Künstler oder Künstlerin. Aber warum ist es denn so? Ich glaube ja, dass es einfach ungewohnt ist für uns und für unsere Ohren und das man das ändern kann und sollte.
Wer in der Sprache nicht erscheint, der wird auch nicht gesehen. Das ist inzwischen meine Auffassung. Bis jetzt war es immer so, dass wir Frauen uns auch dann angesprochen fühlen sollten, wenn von einem Lehrer oder eben einem Hörer die Rede ist. In dem Wort „Hörerinnen“ steckt jedoch auch das Wort Hörer (und nicht umgekehrt!). Und deswegen habe ich mich entschieden, von meinen „Hörerinnen“ zu sprechen und bin der Meinung, dass meine männlichen Hörer sich dadurch auch gehört und angesprochen fühlen können und dürfen.
Wie oft habe ich gelesen: „Der Lesbarkeit halber wird die männliche Form benutzt.“ Das schien ein erster Schritt zur Gleichberechtigung zu sein. Ich habe inzwischen meine Klientenvereinbarung so umgeschrieben, dass da steht: „Der Lesbarkeit halber wird die weibliche Form benutzt“.
Was bringt es, Grenzen zu stärken?
Ich bekomme immer wieder so viel positive Rückmeldung von den Frauen und auch von ihren Männern. Denn das möchte ich noch einmal hervorheben: auch Männer profitieren davon, wenn Frauen sich zeigen und Grenzen haben! Wenn jeder Mensch seine Grenze zeigt und eine Grenze haben darf, dann werden auch Grenzüberschreitungen weniger.
Und das ist mein Wunsch in die Welt: insbesondere Frauen und Mädchen daran zu stärken, Grenzen zu haben, damit das Trauma der Grenzüberschreitung nicht an die nächste Generation weitergegeben wird.
Bis zum nächsten Mal,
Deine