Wieder einmal: Blogparade von „Atemsinn“ Susanne Wagner. Sie lädt andere Blogger*innen ein, an jedem 8. des Monats, 8 mal 8sam zu sein und 8 Momente der intensiven Wahrnehmung zu sammeln.
Heut war ich total müde und wollte eigentlich nicht sammeln. Dann entschied ich mich doch dafür, weil ich gemerkt habe, dass es besonders an schwachen Tagen wertvoll ist, mir Zeit zu nehmen und mich zu spüren. Und so bin ich also wieder dabei!
Achtsamkeit und Wahrnehmung sind wesentliche Bestandteile meiner therapeutischen Arbeit. Im Somatic Experiencing geht es ganz stark darum, sich im Hier und Jetzt zu spüren. Daher lade ich immer wieder meine Klient*innen ein, sich zu spüren und wahrzunehmen. Das ist gar nicht so einfach!
Gerne teile ich 8 achtsame Momente meines heutigen Tages mit dir.
Meine gesammelten Acht im Hier und Heute vom 08.07.24
Hören:
Was brummt da bloss? Ich wache durch ein lautes Brummen auf, es dringt durch den Raum in mein Gehör, ich kann mich nicht wehren. Es ist 04.25 Uhr – ist nicht wahr, oder??? Ein Hubschrauber kreist hier irgendwo. Ich versuche, meine Augen zu öffnen, es gelingt mir nur halb, den Lärmverursacher seh ich nicht, dafür einen wunderbaren Sonnenaufgang. Eine Entschädigung, die ich erst jetzt, dank Foto, würdigen kann.
(P.S.: Fällt es nur mir auf, dass Hubschraubereinsätze zunehmen? Eine Belästigung sondergleichen: bei uns in diesem Sommer mehrmals am Tag. Gehen so häufig Menschen verloren? Das kann doch nicht sein …).
Unwohlsein:
Mit meiner Klientin fühle ich mich grad unwohl, ich bin mir nicht sicher, ob ich hilfreich bin für sie. Es finden Übertragung und Gegenübertragung statt, die nicht gut sind. Ich überwinde mich und spreche es an. Sie hat es verdient, dass ich ehrlich bin. Das war nicht leicht für mich. Ich möchte gern gut da sein für sie. Und aus irgendeinem Grund kann ich das nicht. Das Unwohlsein entwickelt sich im Gespräch zu einem warmen und echten Kontakt.
Manchmal kann man sich wirklich erst an der Grenze treffen.
Schwere:
Nach der Sitzung wird mir alles schwer. Ich rolle den Futon in der Praxis aus, lege mich hin, mache meine Atemübungen und nicke dabei ein.
Aufgespannt:
Ich übe Cantienica, „aufspannen“ ist angesagt. Die Arme erhoben soll mein Nacken entspannt sein. Es fühlt sich verkrampft an, doch dann hab ich den Bogen raus. Arme hoch, Schultern runter, der Brustkorb sitzt auf dem Zwerchfell und wird nicht vom Nacken gehalten. Grandios! Danach fühlt sich mein Nacken tatsächlich weicher an.
Bleischwer:
Die Schwerkraft weist mir erneut den Weg. Zum zweiten Mal schlafe ich ein, diesmal für eine gute Stunde. Als ich aufwache, hab ich das Gefühl, mein Kopf ist voll mit einer zähen und schweren Masse. Meine Bewegungen sind langsam. Ich schleppe mich zur Hollywoodschaukel und lese Wladimir Kaminer.
Riechen und schauen:
Der Sommerflieder duftet süßlich und wird gerade von den Schmetterlingen umgarnt. Ich freue mich sehr darüber. Meine eigene Schwere wird mir damit leichter. Früher hatten wir viel mehr Schmetterlinge – teilweise kamen 30 auf einmal zu Besuch. In den letzten Jahren sank die Zahl rapide. Da der Sommerflieder leider kein Raupenfutter bietet, habe ich an mehrere Ecken Brennnesseln stehen. Ob das ein Grund für den Zuwachs in diesem Jahr ist?
Schmecken:
Die Brombeeren reifen gerade. Betonung „reifen gerade“ vs. „sind reif“. Denn reif sind sie noch nicht. Im heimischen Garten könnte ich mehr Geduld haben mit dem Warten als mit den Beeren am Feldrand. Hab ich aber nicht 😉 In der Beere mischen sich Junisäure mit der Süße des Julis. Ich beschließe, dem Juli und somit den Beeren doch noch Zeit zu geben.
Lachen:
Meine Tochter sollte längst zu hause sein – wo ist sie? Wieder leichtes Unwohlsein. Ist was passiert? Es ist so ungewöhnlich, weil sie immer sehr pünktlich ist und jede Verspätung telefonisch ankündigt. Apropos „telefonisch“: Dazu gibt es ja Handys, also rufe ich an: „Wo bist du denn?“ Antwort: „Na in meinem Zimmer!“
Da war ich wohl noch im Garten, als sie kam.
„Wo bist du denn?“ fragt sie. „Na im Wohnzimmer!“ Wir lachen. Ich spüre Erleichterung. Wärme. Freude.
Und du?
Was hast du heute wahrgenommen? Schreib mir einen Kommentar, ich bin schon ganz gespannt 😊.
Bis zum nächsten Mal,
Deine
P.S.: Meine Bloggerkollegin Andrea hat einen ganz anderen Tag als ich erlebt und ebenfalls acht ihrer Eindrücke gesammelt. Ich bin beeindruckt, wie sie diesen Tag vorbereitet hat (und dass das anscheinend Wirkung zeigte!). Das werd ich auch probieren!
Liebe Anke,
dein Beitrag hat mich sehr inspiriert! Deine 8 achtsamen Juli-Momente zeigen, wie wichtig es ist, auch an schwierigen Tagen achtsam zu bleiben. Besonders berührt hat mich dein Moment mit deiner Tochter – er hat mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Die Brombeeren wären bei mir übrigens auch gefährdet 🙂
Bei meinem Schmetterlingsflieder waren früher ebenfalls viel mehr Falter. Wir lassen unseren kleinen Garten zu 90% natürlich wachsen, was viele Insekten und Vögel anzieht – sie spüren unsere friedlichen Schwingungen und unsere Freude und Dankbarkeit.
Meine Nachbarin klagt oft über nächtlichen Lärm, den wir im Keller nicht mitbekommen – ich bin so glücklich darüber. Diese unnatürlichen Geräusche sind wirklich störend, zum Glück hat es bei uns nicht zugenommen.
Ich habe deinen Beitrag in meinem „8sammeln“ Artikel verlinkt, weil ich es schön finde, wie unsere unterschiedlichen Erlebnisse die Vielfalt der Achtsamkeit zeigen.
Herzliche Grüße,
Andrea
Liebe Andrea,
hab Dank Für deinen schönen Kommentar und dass du mich verlinkt hast! Das finde ich ja toll und freut mich ganz besonders. Und das bringt mich auf die Idee, dich auch zu verlinken. Denn ich finde deine Art, in den Tag zu starten und wahrzunehmen, ebenfalls sehr inspirierend!
Wir lassen auch immer mehr Natur im Garten zu und es brummt und fliegt an allen Enden. Das Bild täuscht etwas, im Hintergrund ist der Nachbargarten – unser ist längst nicht so aufgeräumt 🙂
Ich freue mich über jeden einzelnen Menschen, der Raum schafft für Wildtiere! Wie schön, von dir zu lesen!
Ich bin gespannt auf weitere Artikel!
liebe Grüße, Anke
Liebe Anke,
ich lese einen sehr wertvollen Beitrag von dir. Gerade die Momente der Schwere und des Unwohlseins brauchen unsere Aufmerksamkeit um zu erkennen und zu erfahren, dass auch diese vorbei gehen.
Super ehrlich finde ich das Gespräch mit deiner Klienten. So kann es auch gehen.
Ich habe auch erlebt, dass meine Kinder schon zu Hause sind und ich Kopfkino hatte. Wie erleichternd ist dann die Auflösung.
Ich freue mich auf mehr von dir. Lieben Gruß, Birgit
Liebe Birgit, ich freue mich, dass der Beitrag wertvoll für dich ist. Das ist wirklich schön und berührt mich sehr. Nun bin ich auch für mich dankbar, dass ich doch gesammelt habe, denn auch mich erinnert es daran, wie ich durch Achtsamkeit die Grundstimmung eines Tages für mich verändern kann. Ich bin nicht kleben geblieben an dem, was schwer war. Und ja, es war einiges schwierig und schwer. So ist das halt!
Liebe Grüße, Anke
Liebe Anke
Ja, das fällt mir auch auf: Viel mehr Hubschrauber und deutlich weniger Schmetterlinge. So wie die heissen, müssten sie ja mindestens so laut brummen wie die Helikopter 😉 Im meiner Muttersprache nenne ich das Wesen «Summervogel», diese Bezeichnung gefällt mir besser, weil sie nicht so hart ist wie «Schmetterling».
«Manchmal kann man sich wirklich erst an der Grenze treffen.» An diesem Satz bin ich hängengeblieben und es rattert noch in den Gedanken: Vielleicht ist es eben genau an der Grenze, wo man sich WIRKLICH treffen kann. So ganz echt und von du zu du. Das braucht enorm viel Energie und Mut, wie schön du deine Erfahrung beschreibst! Ich bin motiviert, nächstes Mal nicht wegzuschauen oder zu hören, sondern die Begegnung an der Grenze in mein Leben und die betreffende Beziehung einzuladen.
Zum Glück darf das Schwere wieder leicht werden … ich wünsche dir wunderbare Sommertage und freue mich, bald wieder von dir zu lesen!
Herzlich
Susanne
Liebe Susann,
Summervogel irritiert mich tatsächlich. Warum Vogel? Sprache ist doch spannend…
Danke, dass du darauf hinweist, denn mir wird jetzt erst bewusst, das dieses leichte Geschöpf das tatsächlich viel zu harte Wort „schmettern“ mit sich herumträgt. Ach je – wieso eigentlich?
Mir würde Sommerling gefallen 🙂
Liebe Grüße, Anke
P.S.: bist du Dänin? da heißt er „sommerfugl“
P.S.: An die Grenze zu gehen ist echt nicht einfach, aber es lohnt sich!